2.1.2024
Die Gruppe bewegt sich gleichmäßig und zügig durch die winterliche Heidelandschaft. Es liegt Schnee, der das Mondlicht reflektiert und so das Gelände erhellt. Die 12 Männer in olivfarbenen Kampfanzügen sind mit relativ leichter Ausrüstung unterwegs. Das schwerste Einzelstück ist mit ca. 4,5 kg das Sturmgewehr G3. Es ist der 5. Februar 1980, mein 20. Geburtstag, und ich bin Teil dieser Gruppe junger Rekruten einer Mindener Pionierausbildungseinheit, die sich im Rahmen der Grundausbildung im Winterbiwak auf einem Übungsgelände in der Lüneburger Heide befindet. Ein nächtlicher Orientierungsmarsch ist angesetzt. Einer der Rekruten hat die Aufgabe des Gruppenführers übernommen und navigiert mit Karte und Kompass durch die gleichförmige Landschaft. Die Strecke ist mit ca. 15 km angesetzt, kann aber durchaus länger werden, wenn wir uns verlaufen. Wir alle sind erschöpft und nutzen die kurzen Stopps, in denen die weitere Marschrichtung festgelegt wird, zum Ausruhen. Dieter ist sehr erschöpft. Man sieht ihm an, dass er sich seiner Leistungsgrenze nähert. Ich sehe, wie Helmut zu ihm hingeht und ihm wortlos das Gewehr aus der Hand nimmt. Helmut wird nun 2 Sturmgewehre tragen.
Es ist fast 44 Jahre her und ich musste in letzter Zeit öfter an das Bild denken, als Helmut dem total erschöpften Dieter das Gewehr abnahm, um ihn zu entlasten. Die Namen sind natürlich geändert und es geht auch nicht darum, die guten alten (Bundeswehr-)Zeiten zu glorifizieren. Es geht um die Verbundenheit, die wir damals erlebten, vor allem in den ersten Wochen unserer Grundausbildung. Ich habe diese Verbundenheit mit mir eigentlich fremden Menschen, die ich erst wenige Wochen vorher kennengelernt hatte, danach nur sehr selten wieder erlebt - bis heute.
Die Angehörigen der Bundeswehr haben dafür einen Begriff: Kameradschaft. Diese Kameradschaft genannte Verbundenheit hat in der heutigen Bundeswehr mit ihren gefährlichen Auslandseinsätzen einen noch viel höheren Stellenwert als damals. Sie ist überlebenswichtig - wie in der Urzeit mit ihren lebensbedrohlichen Gefahren.
Unsere Stärke als Mensch liegt in der Gemeinschaft, in Verbundenheit, Kooperation und Co-Kreation. Und wir sehnen uns auch danach. Dennoch erschaffen wir uns so oft genau das Gegenteil davon.
In meinem Blog-Beitrag „Wir ist das neue Ich“ schrieb ich bereits etwas zu dem Thema. Ich halte es gerade in der heutigen Zeit für sehr wichtig, ein Bewusstsein darüber zu haben, was in der Gemeinschaft mit anderen Menschen möglich ist.
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