16.3.2023
Kurz noch etwas bei meinem Hausarzt erledigen. Seit Corona ist es dort üblich, nur noch einzeln einzutreten, um seine Wünsche mitzuteilen oder zum Termin „einzuchecken“. Ein kurzer Blick in die Runde lässt mich schlussfolgern, dass ich der nächste bin, wenn die Person am Counter ins Wartezimmer verschwindet oder die Praxis wieder verlässt. Es geht schnell heute und ich kann meinen Wunsch bei einer der beiden Mitarbeiterinnen loswerden. Sie bittet mich um wenige Minuten Geduld, worauf hin ich meinen Platz wieder räume und mich in den Vorraum zu den anderen Wartenden geselle.
„Danke, dass Sie sich vorgedrängelt haben“. Ein älterer Herr schaut mich erbost über seine FFP2-Maske hinweg an. „Tut mir leid, das habe ich nicht gesehen“, entgegne ich. „Doch, das haben Sie genau gesehen.“ Mit diesen Worten verschwindet er in der Praxis.
Im ersten Moment denke ich: „Warum hat er nicht einfach gesagt, dass er vor mir dran war?“ Als Standpunkt-Coach weiß ich, dass die Frage nach dem Grund nicht wirklich eine Antwort bringt. Es geht um das Wozu, um die Frage nach der Absicht. Ich hatte dem älteren Herrn dazu gedient, sich als Opfer fühlen können - was auch immer seine Überzeugungen hinter dieser Absicht waren.
Soll das heißen, der Mann war selbst schuld, dass ich ihn übersehen hatte? Nein, denn es geht nicht um Schuld. Allerdings war er selbst dafür verantwortlich, wie auch ich selbst dafür verantwortlich war, diese Situation erlebt zu haben. Auch ich war einen Moment geneigt, mich als Opfer seiner Bezichtigung zu fühlen.
Wir wählen immer wieder und gerne den Opferstandpunkt, befreit er uns doch vermeintlich von jeglicher Verantwortung, denn die übertragen wir ja auf den Täter. Und wer will schon gerne Täter sein. Klingt nach einer guten Strategie, allerdings mit Nebenwirkungen. Wir fühlen uns machtlos.
Stimme lieber gemachten Erfahrungen zu und erkenne an, dass du sie selbst erschaffen hast. Im Coaching nennen wir das den Urheberstandpunkt. Du wirst erkennen, wie machtvoll dieser Standpunkt ist. Also wozu dich länger als Opfer fühlen? Funktioniert das auch bei den großen Themen in der Welt, auf die du vermeintlich keinen Einfluss hast? Oh ja - und wie!
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