18.3.2025
„Ich habe zuerst gesagt, dass ich die Orange brauche.“ „Schön und gut, ich habe sie bezahlt.“ Nach minutenlanger Debatte einigen sie sich darauf, dass jeder eine Hälfte bekommt. Der kurze Streit ist beigelegt, sie haben einen Kompromiss gefunden. Sehr gut, oder?
Nein, gar nicht gut. Beide stellen fest, dass sie mit der Hälfte nichts anfangen können. Die Hälfte ist zu gering für ihr jeweiliges Vorhaben. Vielleicht hätten sie darüber reden sollen, dass einer mit dem Saft der Orange einen Cocktail zubereiten und der andere die Schale zum Backen eines Kuchens verwenden wollte. Statt sich darüber auszutauschen, beharrten sie auf ihren Standpunkten, bis sie sich auf den Kompromiss einigten.
Die Suche nach Kompromissen ist das tagtägliche Spiel in der Politik. In den letzten Jahren wurden die Diskussionen zusehends in die Öffentlichkeit verlagert, in Talkshows und ähnliche Formate. Zunächst wurden die eigenen Standpunkte wacker verteidigt. Andere Standpunkte - wenn auch nur für einen Augenblick - einzunehmen, um die Perspektive des Gegenübers auch nur halbwegs zu verstehen, kam in den in der Öffentlichkeit ausgetragenen Diskussionen nur sehr selten vor.
Mittlerweile haben wir ein anderes Level erreicht. Wir verteidigen nicht nur tapfer unsere eigenen Standpunkte, sondern wir verurteilen andere auch für ihre Sichtweisen, bezichtigen sie sogar, entwerten sie, moralisieren die Debatte. Wer sich wünscht, dass der Ukraine-Krieg friedlich beendet wird, ist Putin-Freund. Und wer Zweifel über das, was im Gaza-Streifen passiert, hat, ist zwangsläufig Antisemit.
Dieses jahrelange Schauspiel in den Medien hat etwas mit uns gemacht. Wir haben es übernommen, hören einander nicht mehr richtig zu, bezichtigen uns gegenseitig,verstehen uns plötzlich nicht mehr. Das hat schon was von „babylonischer Sprachverwirrung“.
In dieser Kultur von gegenseitiger Bezichtigung und Entwertung überhaupt noch Kompromisse zu finden, grenzt schon an ein kleines Wunder.
Die Schuld dafür bei der Politik zu suchen, wäre nur die Fortführung des Dramas mit anderen Mitteln. Verantwortlich dafür, wo wir heute stehen, sind wir alle gemeinsam. Aber wer, wenn nicht wir selbst, kann etwas daran ändern?
Lass uns gemeinsam dafür losgehen, einander wieder zuzuhören, die Sichtweise der anderen Seite einen Moment lang zuzulassen, sie zu verstehen, um einen gemeinsamen neuen Weg zu finden.
Nie war die Zeit besser dafür!
Ein Ausdruck meines Wertes "Toleranz".
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